Hugo Ball: Der Dorfdadaist
DER DORFDADAIST
In Schnabelschuhen und im Schnürkorsett
Hat er den Winter überstanden.
Als Schlangenmensch im Teufelskabinett
Gastierte er bei Vorstadtdilletanten.
Nun sich der Frühling wieder eingestellt
Und Frau Natura kräftig promenieret,
Hat ihn die Lappen- und Atrappenwelt
Verdrossen erst und schliesslich degoutieret.
Er hat sich eine Laute aufgezimmert
Aus Kistenholz und langen Schneckenschrauben.
Die Saiten rasseln und die Stimme wimmert,
Doch lässt er sich die Illusion nicht rauben.
Den Frühling einer ganzen Welt zu künden
War längst sein stiller Sehnsuchtstraum.
Nun lässt er selber sich als Frühling finden
Bewährt mit einem grünen Maienbaum.
Er brüllt und johlt, als hinge er am Spiesse.
Er schwenkt jucheiend seinen Brautzylinder.
Als Schellenkönig tanzt er auf der Wiese
Zum Purzelbaum der Narren und der Kinder…
Hugo Ball: "Der Dorfdadaist" [1923/24]. In: Ders.: Gedichte. Hrsg. von Eckhard Faul. Göttingen 2007 (= Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 1), S. 99. Mit freundlicher Genehmigung der Hugo-Ball-Gesellschaft Primasens.