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Wilhelm Hoegner

Währet den Anfängen/Männer wie diese braucht das Land

Wilhelm Hoegner hat sich schon 1923 als Jurist im Münchner Untersuchungsausschuß über den Hitler-Putsch einen Namen als leidenschaftlicher Gegner der Nazionalsozialistischen-Bewegung gemacht. Seine berühmste Rede gegen die Nazis hielt er aber am 18. Oktober 1930 im Reichstag in Berlin. Während dieser Rede kam es zu schweren Tumulten im Saal, in dessen Verlauf Hoegner von dem Fememörder Heines mit dem Tod nach seiner Rückkehr nach München bedroht wurde. Hoegners Rede wurde als Broschüre („Der Volksbetrug der Nationalsozialisten“) millionenfach verbreitet, er selbst wurde damit in der öffentlichen Wahrnehmung omnipräsent. Und herausreden mit einem „das haben wir nicht gewußt“ konnten sich bei dieser Auflagenhöhe eigentlich nur Analphabeten.

Wilhelm Hoegner, mit freundlicher Genehmigung der Pressestelle des Bayerischen Staatskanzlei
Hoegner trat in ganz Deutschland als Gastredner in Veranstaltungen gegen den Naziterror auf und wurde so zu einer der am meisten gehaßtesten Personen. Sofort nach der Machtübernahme der Nazis musste er sich 1933 via Österreich in die Schweiz absetzen. Dort war er unter falschen Namen als Redakteur, Rezensent und historisch-politischer Schriftsteller tätig.
 
Nach seiner Rückkehr aus dem Exil war Hoegner wesentlich an der Ausformulierung der bayerischen Verfassung beteiligt. Er war und ist bisher der einzige „rote“ Ministerpräsident im Nachkriegsbayern geblieben (1954-1957). Bis ins hohe Alter hinein war er politisch und schriftstellerisch aktiv. Er blieb „der schwierige Außenseiter“ (so der Titel seiner Erinnerungen), der er immer war, ein Kämpfer gegen den Rechtsradikalismus und den politischen Terror. Sein erklärtes politisches wie menschliches Ziel war es, die „Masse“ zur geistigen Selbständigkeit zu erziehen und jeden einzelnen dadurch zu einem eigenverantwortlichen „Willenmenschen“ reifen lassen. Diese Eigenschaften vermisste er bei vielen seiner eigenen Parteifreunden.
 
Er verstarb 1980, im hohen Alter von 93 Jahren. Zu seiner Erinnerung wird von der SPD-Fraktion des bayerischen Landtags seit 1988 jährlich der Wilhelm-Hoegner Preis an Persönlichkeiten verliegen, die sich durch ihr soziales, kulturelles und politisches Engagement in hervorragender Weise für die Verwirklichung von Bürger- und Freiheitsrechten eingesetzt haben. Preisträger waren u.a. Carl Amery und Gerhard Polt.
 
Hoegner berichtet in seinen 1937 geschriebenen Buch über die politischen Zustände in Deutschland bis 1933. Als direkt betroffener Augenzeuge, schildert er anschaulich die Befindlichkeiten der SPD-Führung und analysiert schonungslos die Mitverantwortung der Sozialdemokratie bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Ein ähnliches Bild zeichnete auch Lion Feuchtwanger mit seinem „Erfolg“ auf literarische Weise nach.
 
Die Flucht
 
Am 29.6.1933, dem Peter und Paul-Tag, damals ein Feiertag in Bayern, hat Wilhelm Hoegner auf Anraten von Freunden nicht zu Hause geschlafen, sondern bei seinem Genossen Emil Baumgartner übernachtet. Hoegners Tochter teilte ihm am nächsten Morgen die nächtliche Hausdurchsuchung mit. In dieser Nacht wurden alle Mandatsträger der SPD, außer Hoegner und dem SPD-Vorsitzenden Auer, verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Die verbleibenden Mandatsträger der SPD beschlossen aus diesem Grund eine Führungsperson ins Ausland zu schicken, um von dort für die SPD weiterwirken zu können.
 
Der Schreiner, „Naturfreund“, Bergführer und späteren SPD-Stadtrat für München, Hans Fischer, wird gefragt, ob er bereit sei, Hoegner nach Österreich zu bringen. Fischer, dessen Vater sich ebenfalls im KZ Dachau in „Schutzhaft“ befindet, willigt aus alter Freundschaft zu Hoegner in dieses riskante Unternehmen ein.
 
Den Tag vor der Flucht verbringen sie im Jagdhaus des pazifistischen Münchner Orthopäden Dr. Klar, der wie seine Frau später im KZ ermordet werden. Am 10.7.1933 verabschiedet Hoegner sich von seiner Familie im Münchner Luitpoldpark.
 
Am Morgen des nächsten Tages fuhren Fischer, Hoegner und der arbeitslose Landtagsjournalisten und ehemaligen Redakteur der „Münchner Post“, Dr. Blum, von München aus mit dem Auto von Heinz Eisgruber über den Kesselberg zum Walchensee. An der Husselmühle bestand Eisgruber auf ein Erinnerungsfoto mit den 3 Flüchtenden. Im Moment der Aufnahme drehte sich Fischer unbewußt weg. Das hat ihm nach der Verhaftung Eisgrubers das Leben gerettet. Im Verhör der Gestapo konnte der erklären „wie soll ich den an den Ohrwascheln erkennen, wenn ich die anderen zwei nicht an den Gesichtern kenn“.
 
Von der Husselmühle fuhren sie weiter nach Mittenwald. Von dort aus gingen sie zu Fuß über den Ochsenboden Richtung Tiefkar. Auf der gegenüberliegenden Bergseite sahen sie die Hochalmhütte, auf der SA-Männer mit Fernrohren die Grenze absuchten. In einem unbewachten Augenblick gelang es ihnen über das Geröllfeld zu den Felsen zu gelangen, um den Gipfelgrad zu ersteigen. Dort angekommen ereilte sie ein plötzlicher Wettersturz mit Gewitter, Schnee und Hagel, der sie zu einem riskanten Abstieg zwang. Während Blum selbst absteigen konnte, mußte Hoegner von Fischer abgeseilt. Über Scharnitz fuhr Hoegner nach Wien und von dort mit falschen Papieren weiter in die Schweiz.
 
Fischer kehrte am nächsten Tag nach seiner Fluchthilfe unbehelligt nach München zurück. Hier erfuhr er von der erneuten Hausdurchsuchung bei der Familie Hoegner. Auch sie waren jetzt nicht mehr in Deutschland sicher und von „Schutzhaft“ bedroht. Fischer wurde von den nicht inhaftierten SPD-Funktionären erneut beauftragt in Wien falsche Pässe für sich und die Familie Hoegner zu besorgen. Zurück in München konnte er mit diesen Papieren Hoegners Frau und Kinder sicher über die Grenze am Bodensee in die Schweiz schleusen. Er selbst kehrte nach München zurück und überstand die NS-Zeit relativ unbeschadet.