Auf historischen Fluchtwegen genußvoll durch die Alpen wandern Menschen, die sich Fluchtwege suchen, hatten schon immer ein konkretes Ziel: durch einen Grenzübertritt ihr Leben zu retten. Geflohen, verjagt, von der eigenen Familie auserwählt, mit der Hypothek zu überleben (und) um als Versorger für die in der Heimat zurückgebliebenen Angehörigen eine Zukunft zu schaffen oder deren Überleben zu sichern.
Im Monaten nach dem August 2015 dominierten Bilder von Flüchtlingsströmen- und schicksalen die Medien, bewegten die Menschen hierzulande. Wie weitreichend (politisch, kulturell, demographisch) die Veränderungen in unserer Gesellschaft dadurch sein werden, ist noch nicht absehbar. Einige Menschen fürchten sich aber vor den beginnenden Eingewanderten, beginnen sich abzuschotten und wünschen sich scheinbar paradisische gesellschaftliche Urzustände zurück. Selten wird in diesen Zusammenhang erwähnt, dass wir ein Land sind, in dem die Eltern-/Großelterngeneration der „Baby-Boomer“ selbst oft als „Flüchtlinge“ traumatische Erfahrungen verarbeiten mussten.
Auch in und vor dieser Generation gab es für Menschen die Notwendigkeit zur Flucht. Oft waren es Künstler, Schriftsteller oder politische Aktivisten, die zeitweilig oder für immer ihre Heimat verlassen mussten. Viele von ihnen haben ihre Erlebnisse literarisch verarbeitet und ihren Fluchtweg beschrieben. Diese literarischen Primärtexte/Quellen dienten als Inspiration nach diesen Wegen zu suchen, um sie wiederzuentdecken. Dies gestaltete sich zunächst als nicht so ganz einfach, da es die beschriebenen Wege so nicht mehr gibt, oder sie aufgrund der Quellenlage nicht exakt rekonstruierbar waren. Vielfach wurden diese Fluchtwege als alte Handels- und Wanderrouten benutzt, die zum Teil schon seit Tausenden von Jahren bestehen.
Fast alle diese Wege sind in der Öffentlichkeit und unter Wanderern wenig bis kaum bekannt. Man findet sie deshalb auch in keinem der traditionellen Wander- oder Reiseführer. Die Seite „Fluchtwege“ beschreibt verschiedene Formen von Fluchten, die sich zumeist auf einem literarischen Text beziehen, der zu rekonstruieren versucht wurde: künstlerische Fluchten, politisches Exil, Handel und Händel aus wirtschaftlicher Not (Schmuggel, Wilderei) und spirituelle Gottsuche.
Bisher sind rund 40 Wege im deutschsprachigen Alpenraum erkundet worden, von denen über 20 hier beschrieben werden. Diese Fluchtwege sind als Eintagestouren gedacht, lassen sich aber auch kombinieren und über mehrere Tage ausbauen. Einige sind auch als Fahrradtouren geeignet.
Mit den
Grenzenlos wandern soll ein europäischer Weitwanderweg initialisiert werden, der inhaltlich wie vom Wegverlauf neu- und einzigartig ist: es ist kein neuer weiterer Themenweg, sondern ein wirklicher Geschichts(en)pfad, der inhaltlich und lokal begründet ist und keine aufgestülpte Thematik wiederspiegelt. Auch ist er nicht als Weg von A nach B konzipiert, sondern als
Rundweg mit einzelnen abkoppelbaren Erlebniseinheiten. Jede einzelne Etappe ist durch einen individiuellen Namen singulär und identifizierbar. Zu jeder Etappe gibt es eine oder mehrere geschichtliche Anknüpfungspunkte, die z.T. schon über diese Internetseite verbunden und verschlagwortet sind und deren Wegbeschreibungen hier z.T. schon
nachlesbar sind.
Konzipiert ist der Weitwanderweg
Grenzenlos wandern sowohl für ambitionierte Bergwanderer als auch für kulturgeschichtlich interessierte Genusswanderer. Diese Menschen interessieren sich zumeist auch fur andere Dinge als sich selbst und ihr Leistungsvermögen. Sie
umweltwußt und an ihrer Umwelt interessiert sind, schmutzen und verschmutzen sie nicht, sondern wollen sie bewahren.
Nachhaltigkeit steht auf ihrem Schild. Alle Wegabschnitte sollen deshalb eine
Rückbesinnung auf den natürlichen Umgang mit den eigenen Grenzen und Resourcen ermöglichen, auf denen man
Mehrwerte für sich schaffen kann.
Da man sich nach der körperlicher Schinderei eines Wandertages den „Luxus“ einer Dusche, eines bequemen Bettes, von frischer Wäsche oder sogar von Sauna und Massage gönnen will, um revitalisierend seine/ihre geistigen und körperlichen Tanks wieder auffüllen zu können, enden die jeweiligen, teils mehrtägigen Erlebniseinheiten am Berg in Ortschaften mit Übernachtungsmöglichkeiten, in denen sich diese Wünsche befriedigen lassen. Auch gutes, regionales Essen gehört selbstverständlich dazu.
Slow food und
slow foot gehören unabdingbar zusammen.
Der inhaltliche Kleister des Fernwanderweges
Grenzenlos wandern ist das Thema Bewegung. Das der eigenen, die man ja durch die Begehung des Weges vollzieht und das der am Weg erfahrenen „beiläufigen“. Diese Bewegung wird in Begriffen wie
Zurückdrängen, Verflüchtigung oder
Neuansiedlung thematisiert. Man begegnet ihnen auf dem Weg in:
- Sprache: Zurückdrängen/Verflüchtigung von Dialekten (berührende Sprachinseln: Walsersprache, Zimbrisch).
- massiver Rückgang von Tier- und Pflanzenarten (Artenvielfalt): Biosphärenflüchtlinge – Verdrängung von Arten aus angestammten Habitaten– Wechsel von Arten in menschliche Nähe.
- „wilde Wildnis“ als Irrglaube: sie gibt es noch nicht einmal mehr in Nationalparks, sondern ist auch dort größtenteils von Menschenhand beeinflusste Kulturlandschaft. Sind wilde Wege bestenfalls verschwiegene Wege oder Wege für den Adrenalintouristen?
- gibt es Zufluchts- und Rückzugsorte für Mensch und Tier? wo es sie gibt, kann man dafür werben, ohne sie zu zerstören?
- Nicht-Wahrnehmen der alltäglichen, umgebenden Natur: in der Stadt, „stille Felder“ durch industrielle Landwirtschaft.
- Klimawandel (Rückgang der Gletscher, Hitzeperioden, Überschwemmungen)
- Neuansiedlung von großen Beutegreifern (Geier, Bär, Wolf, Luchs): wie gehen die Spezies wechselweise miteinander um?
Grenzenlos wandern-Wege können auch
Barfußwanderungen sein, bei denen durch den direkten Kontakt über die nackte Fußsohle die Natur besonders intensiv im Gedächtnis/Unterbewußtsein haften:
- Pilger, die barfuß Buße tun.
- Verhaltensforscher, die sich barfuß die Verwaltensweisen von Tieren (Rehen) angeignen
- Barfußgehen als Modeerscheinung, Befreiung oder Renaturierung des kulturgeschichtlich in ein Schuhwerk eingezwängten Fußes
Einige der Wege, die Sie auf dieser Seite finden, lieferten die Idee für die Planung des Weitwanderweges Grenzenlos wandern. Diese sind:
Künstlerische Fluchten:
Thomas Bernhards beschwerliche Kind- und Schulzeit im deutsch-österreichischen Grenzland zum Ende des 2. Weltkrieges
Ludwig Ganghofers Auszeiten im Leutaschtal; seine Jagdwege nach Ruhm und Hirsch
Robert L. Stevensons begangener Fluchtweg vor Liebesleid und Zivilisation durch die Cevennen, begleitet von seinem Esel Modestine
Friedrich Glausers Flucht vor Polizei und Familie auf ein „refugio“ im Brusada Gebiet
Mary Shelleys Entzug vor den heimatlichen Beschränkungen ihrer Lebensliebe und der damit verbundenen Erschaffung von Frankenstein
Norbert Kasers selbstgewählte Einsamkeit und mutwillige Selbstzerstörung mittels Alkohols
Politische Fluchten
Die Alpenerschließung durch den sozialdemokratischen Arzt und Lenin-Deckadressaten
Carl Lehmann und den malenden Nordpol-Entdecker
Julius Payer die Flucht
Wilhelm Hoegners, des ersten bayerischen Präsidenten nach dem 2.Weltkrieg vor den Nazischergen übers Karwendel nach Österreich
die der
Don-Kosaken aus ihren angestammten Heimatland über Polen ins Friaul
die z.T. parallel verlaufenden Fluchtwege der illegal
nach Palästina einreisenden Juden und der sich absetzenden Nazis (
Ratten- oder Klosterlinie),
Ludwigs und Sisis Fluchten aus den politischen Korsetten (Schachen, Valsugana)
Handels – und Hungerwege
Wege, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Wege der Steinzeit, der römischen Antike, aus dem aufblühenden Mittelalter in die Notzeiten des 20. Jahrhunderts
Schmuggel und Wilderei als einziger Weg aus der Not
Wege, die schon Rom als Medien zum Transport von Mensch und Ware benutzt hat (
Via Claudia Augusta)
der letzte Weg von „
Ötzi“
die kurze Zeit der Flucht und Selbstbehauptung von
Bruno Bär alias JJ1
und der entbehrungsreiche Weg der „
Schwabenkinder“ an den Bodensee
In sano corpore sana mens
, Körper und Geist kommen zum Tragen:
Von der Entrückung der
Resl von Konnersreuth über
Hugo Balls Weg vom Dadaismus zu Gott und Hermann Hesse und
Johannes Baaders Irren durch Geist und Institutionen